Gerichtstrukturreform und Kreisgebietsreform
						Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
  der Vorstand des CDU Kreisverbandes Landkreis Rostock hat mich
  beauftragt, der Landesregierung die großen Bedenken unseres
  Kreisverbandes, insbesondere zur Gerichtsstrukturreform zu übermitteln.
  Auch unser letzter Kreisparteitag hat einen entsprechenden ablehnenden
  Beschluss dazu gefasst. Ich wende mich deshalb an Sie als unseren
  Ministerpräsidenten, der Sie maßgeblich die Richtlinien der Landespolitik
  festlegen!
Die geplante Gerichtsstrukturreform schadet unserem Land im erheblichem Umfang. Immer mehr Mitbürger müssen immer weitere Wege in Kauf nehmen, um sich an die Behörden und an die Justiz unseres Landes wenden zu können. Es gibt hiergegen in diesem Umfang bisher kaum dagewesene Proteste.
  
  Schon die ersten Auswirkungen der Kreisgebietsreform lassen ihre Ziele kaum erreichbar erscheinen: Keine Rationalisierung der Verwaltung; statt Einsparungen an Personal- und Verwaltungskosten, nunmehr Personalmehrbedarf und Mehrausgaben in der Verwaltung, auch 
  mangels einer Funktionalreform. Es gibt jetzt zum Teil erheblich weitere Wege zu den Kreissitzen für alle, auch für das Ehrenamt; kurz: Enttäuschung und Frustation allenthalben. Vor allem die Mitbürger, die die sozialen Einrichtungen der Kreisverwaltungen nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufsuchen können, sind besonders betroffen. Von sozialer Gerechtigkeit kann man dabei nicht sprechen. Unser jüngst verstorbener Landrat Herr 
  Thomas Leuchert hatte sich bitter über die Folgen dieser Reform beklagt.
  
  Jetzt haben wir die nächste Reform: Die Gerichtsstruktur des Landes soll verändert werden. Die Amtsgerichte sollen größtenteils geschlossen werden und damit Eingangsgerichte der ordentlichen, streitigen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Weite Wege sind die Folge. Dies gilt besonders für die Inanspruchnahme in Familienrechtssachen nach dem FamVerfG mit 
  den notwendigen kurzfristigen Entscheidungen, oftmals vor Ort.
  
  Auch in den Betreuungssachen mit den persönlichen Anhörungen und der erforderlichen Kenntnis der Richter und Rechtspfleger über die örtlichenund persönlichen Gegebenheiten verlangen kurze Wege. Schließlich sinddie neuen Entfernungen bei sofortigen Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz wegen der Gewalttaten, vor allem im häuslichenBereich, mit den gerichtlichen Schutzanordnungen unzumutbar. Dies trifft vielfach Personen mit geringem Einkommen. Auf die sonstigen Mehrkostenfür Reisen, Transporte usw. der Justizangehörigen, der Polizei, der Betreuerund weiterer Betroffener sei überdies hingewiesen. In allen diesen Aufgaben bedarf es einer bürgernahen Justiz.
  Der Hinweis auf Einsparungen von etwa 34 Mio.€ in 25 Jahren vermag
  ebenfalls nicht zu überzeugen. Wenn das Land angesichts erheblich
  gestiegener Kosten in der Justiz längst fällige Erhöhungen der Gerichtsgebühren über den Bund erreicht hätte, würde dieses Argument vollends entfallen müssen.
  
  Zum Schluss sei auf die beabsichtigte Schließung unseres Amtsgerichts in
  Bad Doberan eingegangen. Sie ist uns unverständlich und ohne sachlich
  nachvollziehbare Begründung. Der Einzugsbereich unseres Amtsgerichts
  ist nachweislich eine Wachstumsregion. Da gibt es keinen negativen
  demographischen Faktor. Unser Amtsgericht arbeitet nachweislich in allen
  Bereichen vorbildlich.
  
  Dienstleistungen der öffentlichen Hand, auf die unsere Bürger auch einen
  verfassungsrechtlichen Anspruch haben, dürfen nicht ausschließlich nach
  ökonomischen Gesichtspunkten gestaltet werden. Sie gehören im
  Wesentlichen zur Daseinsvorsorge und müssen in einem ausreichenden,
  sozial gerechten Umfang vorgehalten werden.
  Es kommt einer Rechtsverweigerung nahe, wenn in Folge unzumutbarer
  Entfernungen viele Bürger die Hilfe der Justiz nicht mehr in Anspruch
  nehmen können. Hierfür trägt unsere Landesregierung die volle
  Verantwortung, der sie leider mit der Gerichtsstrukturreform nicht gerecht
  wird. Die Volksinitiative und zahllose weitere Proteste machen dieses
  deutlich. Die gilt insbesondere für die hervorragend begründete
  Stellungnahme des Richterbundes.
  
  
  Mit dieser Reform wird auch dem Ansehen der Koalition in Schwerin
  erheblicher Schaden zugefügt. Die Reform wird sich bei der nächsten
  Landtagswahl negativ für die beiden Volksparteien auswirken. Zu groß ist
  die Empörung in weiten Teilen der politisch interessierten Bevölkerung.
  Den Vorteil werden die rechtsextremen und linken Kräfte in unserem
  Lande haben.
  
  
  Unser CDU-Kreisverband regt an, von der Gerichtsstrukturreform in der
  beabsichtigten Fassung abzusehen. Andernfalls sollte die Reform vor den
  Amtsgerichten halt machen. Das gilt insbesondere für das Amtsgericht in
  Bad Doberan.
  Auch könnte man die Reform zurückstellen, bis wir alle wesentlichen
  negativen Folgen der Kreisgebietsreform beseitigt haben, auch wenn
  dieses voraussichtlich Jahre dauern wird.